ich habe tausende timeofragee.

&Nein, Mao habe ich nicht gesehen
Bundeskanzler Helmut Schmidt, nachdem er in Bonn (Milit&rflughafen) die Begleiter der Reihe nach pers&nlich begr&&t hat, erl&utert, sobald wir uns in der kahlen Halle gesetzt haben, unsere M&ntel auf den Knien, alles in allem zweiundzwanzig Leute, die das offizielle Gefolge bilden, und w&hrend er sich eine Zigarette klopft, frei von Reisefieber, so scheint es, im Gespr&chston, was von chinesischer Seite etwa zu erwarten sei (mehr antisowjetische T&ne als anderes) und wie der deutsche Bundeskanzler sich dazu verhalten werde als Bef&rworter einer Entspannung ohne I zum Schlu& seiner kurzen Ansage, indem er sich jetzt die geklopfte Zigarette anz&ndet, empfiehlt er, da& man sich in China einfach rezeptiv verhalte. Es ist noch nicht Zeit, uni in die M er raucht und unterh&lt sich mit einzelnen, die andere Hand in der Rocktasche, jetzt als Helmut Schmidt.Maos revolution&rer Romantizismus ist also das Verlangen des Helden, mehr ais das M&gliche zu tun, den Tod zu riskieren und sogar herauszufordern, um dem Leben und dem Tod einen anderen Sinn zu geben, den "Himmel zu st&rmen und die Anspr&che bestehender G&tter, politischer wie theologischer, in Frage zu stellen, um sie durch den Anspruch revolution&rer Unsterblichkeit zu ersetzen.Robert Jay Lifton*Die letzte sittliche Grundlage seines politischen Handlungswillens mag einer in seiner religi&sen Vorstellung vom Sinne des Menschen gefunden haben oder in der Philosophie oder anderswo: sie allein reicht f&r konkretes politisches Handeln in keinem Falle aus: die geistige (gleich "theoretische") Durchdringung des M&glichen und der Folgen m&glichen Handelns geh&ren ebenso dazu wie eigene Erfahrung und Ein&bung im eigenen Handeln, d. h. eigene Handlungsf&higkeit i. e. S. des Wortes. Deshalb ist kritische Grundhaltung demjenigen n&tig, der politisch handeln will. Kritische Haltung und der Wunsch, andere zu &berzeugen, sind zwei entgegengesetzte Antriebe. Aber kritische Menschen werden -- auf diese Hoffnung gr&ndet sich mein Vertrauen in die Demokratie -- auf die Dauer nur den kritischen Geist auch &berzeugend finden. Deshalb ist ein theoretischer d. h. ein kritischer Geist eine notwendige Voraussetzung f&r eine erfolgreich ver&ndernde, d. h. fortschrittliche Politik.Helmut SchmidtUnter uns W&ste im Streiflicht der fr&hen Sonne, Sand und nichts als Sand, das unregelm&&ige Muster der Wanderd&nen, die in die Mulden violette Schatten werfen. Ob das die Gobi ist? Der Navigator wei& es nicht, da der Computer nicht mit Namen arbeitet. Im Cockpit zwei chinesische Lotsen, die in Teheran zugestiegen sind. Fr&hst&ck nach unserer Zeit um Mitternacht. Sp&ter das erste Menschenwerk in der Steppe: eine Flugpiste. Ohne eine Siedlung* Die von Frisch eingef&gten Zitate stammen aus den B&chern "Die Unsterblichkeit des Revolution&rs von dem Amerikaner Litton &1968&), "Kritischer Rationalismus und Sozialdemokratie (Vorwort von Helmut Schmidt: 1975), "Roter Stern &ber China von dem Amerikaner Snow (1937) und "Als Chinese nach China, wiedersehen nach 25 Jahren" von dem heute in der Schweiz lebenden Chang Sin-ren (1975).weit und breit. Der Navigator hat inzwischen nachgesehen: Es war also die Gobi.-- ein schweigender Gott, der alles &berschauen konnte und durch seine blo&e Gegenwart Hunderttausenden (manchmal Millionen) von jungen Leuten ein Gef&hl verlieh, in Reinheil erwacht zu sein. Er verhielt sich ganz wie ein indischer Heiliger, der gew&hnlichen Menschen nur kurz erscheinen mu& um ihnen seine g&ttliche Macht zu &bertragen. Aber der gro&e F&hrer wird zum Despoten, wenn er das Vertrauen in seinen Anspruch auf Unsterblichkeit verliert. Wenn er sich vom biologischen und symbolischen Tod bedroht f&hlt, wird er von der Sucht nach dem blo&en Oberleben besessen. Er kann seine Todesschuld nicht mehr l&nger wirksam in den Dienst einer edlen Mission stellen und wird statt dessen ein "ewig &Uberlebender", der die Niederlage oder den Tod einer endlosen Reihe von Feinden braucht, um seinem eigenen Leben zu neuer Kraft zu verhelfen und seinen ewig schwankenden Unsterblichkeitssinn neu zu beleben.Robert Jay LiftonLandung in Peking um zehn Uhr vormittags: auf die Minute genau. Ich kenne Staatsbesuche nur aus dem Fernsehen, und es macht mir schon Eindruck, da& es genau wie im Fernsehen zugeht, die Begr&&ung vor dem Flugzeug, auch ich gehe von Handschlag zu Handschlag durch das Spalier wichtiger Chinesen, hingegen die Fahne hat der Bundeskanzler allein zu gr&&en, indem er kurz und ernst den Kopf senkt, seine M&tze in der Hand. Das alles sehen sie zu Hause jetzt auch. Via Satellit. Dann die viertausend bunten Kinder, vor allem M&dchen, in Reih und Glied gestellt wie von Da Hing Yen, dem Zeremonienmeister des Herbstes. Ich gestehe, da& ich, allem kritischen Bewu&tsein zuwider, im Augenblick ger& ich winke mit der Hand.Es wird nichts zu berichten geben, was nicht schon in vielen B& die Zeiten von Marco Polo sind vorbei sogar f&r Rot-China, das von der Schweiz schon 1950 anerkannt worden ist. Ja, das Hotel sehr ordentlich.Bei der ersten Begegnung zwischen Teng Hsiaoping und Helmut Schmidt d& sie umarmen einander nicht wie Montezuma und Cortez. Was sie einander sagen, wird & die Mienen beider, so verschieden sie sind, k&nnen kaum verhehlen, da& sie eigentlich die &Ubersetzung nicht brauchen, um dann zu nicken -- es war nicht anders zu erwarten. Eine &Uberraschung sind die wei&en Spuckn&pfe auf dem B Teng Hsiao-ping benutzt den seinen.Menschen zu Fu&, Menschen im Bus, die meisten auf Fahrr&dern -- wie nie zuvor habe ich ein Bild zu dem Begriff: Masse. Alles in allem blau-graugr&nlich. Fast alle tragen die M&tze, die man kennt. Die Masse der Arbeitenden, die es &berall gibt, hier aber beherrscht sie das Stra&enbild. Auch wo keine Fabrik zu sehen ist, keine Baustelle, keine &Acker, l&&t sich nicht vergessen, da& ungef&hr alles, was uns dient, aus Arbeit entsteht: was unser Stra&enbild leichter vergessen l&&t. Es wimmelt, ich denke trotzdem nicht an A ich sehe Menschen, ihre Gesichter gelassen und lebendig. Auch die Frauen und M&dchen tragen Hosen, aber nicht Hosen, die das Gesc ihre Weiblichkeit zeigt sich in den Gesichtern. Viele b&urisch selbst in der Stadt. Manchmal ein Karren, gezogen von einem Maulesel und beladen mit Kohl. Dann und wann ein Rudel von Kindern, die in Zweier-K die Kinder sind bunt, und die Erwachsenen, grau mi Schatten unter den Platanen, erscheinen in der Sonne da und dort eine gebl&mte Bluse, Z&pfe mit schmetterlingshaften Schleifen. Alles in allem aber stimmt der erste Eindruck: graugr&nlich-blau als Grundton, das Uniforme der Kleidung, wie wir es kennen als ordentliche Kleidung einer Belegschaft. Was ist der Unterschied zwischen Masse und Menge? Man braucht im Gedr&nge keine Ellbogen, um zu bestehen. Eine gesittete Masse. Auch in den breiten Hauptstra&en gibt es (wie es der Taxi-Fahrer in Z&rich prophezeit hat) nur wenige Autos, abgesehen von den B sie hupen sich durch. Sonst ist China leise. Auch wo der Bundeskanzler nicht hingef&hrt wird, sehe ich das gleiche: Volk auf Fahrr&dern und zu Fu&, alle ohne Hast. Es scheint hier niemand zu geben, der nicht zur gro&en Belegschaft geh& keiner tr&gt eine Kleidung, die bei der Arbeit nicht zu tragen w&re.In meiner Erinnerung habe ich vor altem ein anderes Bild: In D&rrezeiten k&mpften die D&rfer gegeneinander um das wenige W nicht selten ging es dabei um Leben oder Ted. Aus Nordchina, der Gro&en Erde, fl&chteten in D&rreperioden Millionen von Menschen in den S&den, bepackt mit Bambusk&rbchen, in denen sie ihre wenigen Habseligkeiten oder ihre kleinen Kinder trugen, Oft waren sie gezwungen, Kinder zu verkaufen, um selbst &berleben zu k&nnen . . . In Kriegszeiten wurde ihr Los unertr& als Sklaven wurden sie zur Arbeit, als Gefangene zum Soldatendienst gezwungen.Chang Sin-ren &ber China vor Mao Tse-tungEin Mann von der Presse ist nicht abzusch&tteln. Das ist alles sehr &rmlich! sagt er, nachdem er siebenfach geknipst hat. Haben Sie das bemerkt? fragt er und zeigt auf den Boden: Da ist f&r unsere Besichtigung eben erst gescheuert worden. Tats&chlich ist der Boden in den Ecken noch feucht, und sicher ist die Volkskommune, die dem Bundeskanzler und Frau Schmidt gezeigt wird in der N&he von Peking, nicht die schlechteste im chinesischen Reich. Hundert Kinder der Volkskommune, die M&dchen mit bunten Schleifen und Blusen, stehen Spalier (nicht stramm) und klatschen, wenn der B sicher nicht spontan. Was sie rufen, hei&t &bersetzt: Herzlich willkommen! Herzlich willkommen! Herzlich willkommen! Und sie klatschen auch noch, wenn wir, der Pressemann und ich, vorbeigehen. An einem wei&en langen Tisch, wo das Revolutions-Komitee uns begr&&t mit Tee, N&ssen, &Apfeln, S&&igkeiten und einer kurzen Rede, sagt er: Die &Apfel sind ja ganz gut! Offenbar hat er gemerkt, da& ich vom Sozialismus etwas erhoffe.Jetzt im Spital: vier &Arzte, klein und schlitz&ugig, alle mit wei&en Kitteln, haben ehrerbietig die Hand gegeben, ja, auch dem Pressemann. Was die von Medizin verstehen? Ein Plakat an der Wand betrifft S&uglingspflege, ein anderes fordert, da& jedermann sich auf Tuberkulose untersuchen lasse. Das sind, gemessen am Standard schweizerischer Fremdenverkehrswerbekunst, ziemlich kitschige Plakate. In der Apotheke steht eine junge Chinesin vor einem Schrank mit Medikamenten, eine Turandot im wei&en Kittel und mit schwarzen Z& was sie an Flaschen und Dosen zu verwalten hat, ist nicht allzuviel, und sicher hat sie f&r den Bundeskanzler (er ist nicht hier, sondern besichtigt gerade die Viehzucht, aber Frau Schmidt ist hier) einen ganz frischen Kittel angezogen. Im n&chsten Raum (auch viel zu klein f&r die westlichen Besichtiger) sind zu sehen: Instrumente im Glas, Verbandstoff, Spritzen. Inzwischen hat der Pressemann etwas herausgefunden, und da man einander in der Erkenntnis hilft, sagt er Hier wird ja nur ambulant behandelt! Er knipst trotzdem. Eine Pritsche ist da, ein Leintuch darauf, es deckt knapp die Pritsche, nicht gro& genug, da& man es noch unter die Pritsche krempeln k&nnte, und es ist nicht wei& wie Schnee, wenn auch nicht schmutzig, sicher kommt das Leintuch auch grad aus der W&sche, aber es ist weniger gebleicht. Hier sagt mein Begleiter: Na, Herr Frisch, m&chten Sie hier behandelt werden? Wurde ein Bauer krank, so trugen vier oder mehr Verwandte eine Buddhastatue auf einem Altar querfeldein. Kippte die Statue nach vorn, so grub man an der Stelle, auf die ein am Altar befestigter Stock wies, ein Loch in die E die Wurzel, auf dis man dabei stie&, war die gesuchte Medizin ... Auf meinem Schulweg ... fand ich eines Tages am Stra&enrand ein neugeborenes Kind, das mit einem Spaten in St&cke gehauen war. Es stellte sich heraus, da& ein Bauernpaar statt eines Knaben immer nur M&dchen bekam, bis sie &berzeugt waren, dahinter m&sse ein Teufel stecken.Chang Sin-renVorher haben wir besichtigt: eine Schulklasse, die Englisch lernt. Der Lehrer spricht vor, die Sch&ler sp sicher nicht zum erstenmal, denn es klappt ganz ordentlich. Was sprechen sie nach? S&tze des Vorsitzenden Mao in englischer Sprache. Was f&r Weisheiten haben wir, als wir Latein oder Englisch &bten, nachgesprochen oder nachgeschrieben? Ferner eine Klasse, die Mathematik lernt: die Stuben sind klein, und wieder komme ich erst hinein, nachdem Hannelore Schmidt herauskommt: beklatscht von der chinesischen Klasse: sie tr&gt die Staatsw&rde unbefangen-zivil, eine Frau mit der Grazie nat&rlicher Neugierde an Ort und Stelle, dabei nicht ohne Skepsis, aber offen f&r Verwunderung, so scheint es mir, frei von der Herablassung, die manche nicht loswerden. Was noch auf der Wandtafel zu sehen ist, scheinen nicht Zinsrechnungen zu sein wie in unserer Volksschule.Ferner eine Klasse, die vorf&hrt, wie sie singen kann zu einem lottrigen Klavier: laut wie &ber Verst&rker, das schneidet ins Ohr, ihre Gesichter bl&hen dabei. Sicher singen sie nicht: Amsel, Drossel, Fink und Star! sondern ein Lob auf die Partei, aber es t&nt wie: Alle V&gel, alle! Und noch eine Klasse, wo ich wieder zu sp&t komme, daher ohne I ich sehe blo&: ein Menschenk&rper aus Gips, &ber und &ber betupft mit blauen und roten Punkten, und am kleinen Tisch sitzt ein junger Chinese mit vielen Nadeln in seinem linken Arm und am Sch&del, die er sich Akupunktur.Zum Schlu& sehen wir einen kleinen H 4 das einst&ckige Haus f&r eine Familie. Der Herd, wo gekocht wird, heizt durch einen Kanal f&r die abziehende W&rme auch die Schlafst&tten in den Nebenr&umen. Im Hof, wo die Familie sonst unter sich bleibt, ein Anschlu& f&r W das soll besonders beachtet werden, offenbar eine neue Errungenschaft. Der alte Bauer gibt der &Ubersetzerin zwar Auskunft, aber was macht ihn so versch&chtert: die Partei oder die Kamera-Leute? Ein Baum, der bew&ssert werden mu&, gibt Schatten im Hof. Ein schwarzes Ferkel in einem kleinen Koben: das Privat-Ferkel, das die Familie m&stet.Mao Tse-tung auf dem Langen Marsch, so lese ich, hatte die Kleidung wie alle anderen, nur eine Wolldecke mehr, dazu noch einen Regenschirm, damit die B&cher in dem Bunde!, das er an einem Stecken trug, nicht im Re die Werke von Marx und Lenin. Das Sein bestimmt das Bewu&tsein. Darin ist Mao mit dem Marxismus einig. Was er der Weisheit der Klassiker sp&ter hinzuf&gt: Das Bewu&tsein bestimmt wiederum das Sein.Einiges ist klar schon nach dem zweiten Fr&hst&ck in China. Von der Prominenz der Industrie h&re ich: China als Handelspartner vorderhand nicht interessant. Von der Prominenz der Gewerkschaften: Gewerkschaften in unserem Sinn gibt es nicht. Das hat man eigentlich im voraus gewu&t. So stehen wir denn, zum Gl&ck bei sch&nem Herbstwetter, eher touristisch in der Gegend. Gibt es einen chinesischen Schriftstellerverband? Wir besichtigen den Palast der einstigen Himmelss&hne. Der rote Lack der S&ulen, der von Zeit zu Zeit erneuert werden mu&, habe auch nicht mehr die Qualit&t von einst, so h&re ich von einer deutschen Sinologin.Da und dort in den kaiserlichen H&fen stehen Gruppen von chinesischen Arbeitern, offenkundig Statisten, denen das Schauspiel und ihre kurze Aufgabe darin n vermutlich sollen sie bezeugen, da& die Masse hier dieselben Interessen hat wie der Bundeskanzler und Frau Schmidt, die leider wenig Zeit haben. Ich habe mich bei einer Bildrolle aus der Ming-Zeit versp&tet, dankbar f&r die Kennerschaft der deutschen Sinologin, der Bundeskanzler ist schon in die schwarze Limousine eingestiegen. Es ist anstrengend. Wohin es weitergeht, wei& Wang, der &Ubersetzer, der Professor Carl Friedrich Freiherr von Weizs&cker und mir zugeteilt ist. Ein Chinese mit schmalem G der Fahrer hat das runde Gesicht. Wang redet wenig, wenn er nicht befragt wird, und auch dann redet er keine Werbung, fragt nie, wie uns China gefalle. Eine Kolonne von vierzig Wagen, das sieht das Volk nicht alle Tage und klatscht. WIR GR&USSEN DEN BUNDES-KANZLER UND FRAU SCHMIDT HERZLICH! hei&t es auf Spruchb&ndern. WIR UNTERST&UTZEN DIE EUROP&AISCHEN NATIONEN IN IHREM KAMPF GEGEN DIE HEGEMONISTEN. Die Deutschen, Meister der Organisation. haben kein einziges Mal den Kopf zu sch&tteln &ber die C es klappt alles auf die Minute, alles so gef&llig-unauff&llig.Auf dem gro&en Platz, gegen&ber dem alten Kaiserpalast, die mittelgro&en Bildnisse von Marx, Engels,Lenin, Stalin: die vier Ausl&nder. Das gr&&ere Bildnis von Mao Tse-tung, das bekannte, erscheint immer allein und & es zeigt keinen Befehlshaber, eher einen v&terlichen Betreuer.Das leidige Gef&hl auf solchen Reisen: da& man nur Potjomkinsche D&rfer zu sehen bekomme. Ich frage mich, was den ausl&ndischen Delegationen bei uns gezeigt wird, zum Beispiel im Tessin -- sicher nicht die alte Heimarbeiterin in unserem Bergdorf, die zehn Stunden am Tag stickt f&r zwei Franken in der Stunde und nicht wei&, wieviel eine solche Stickerei kostet an der Bahnhofstra&e in Z&rich, schweigsam aus Angst vor Arbeitslosigkeit.Nein, Mao Tse-tung habe ich nicht gesehen ...Peking-Universit&t, eine Klasse im Deutschunterricht. Wir behandeln heute den deutschen Dichter Georg Weerth, sagt der chinesische Lehrer mit einer Aussprache, die sich jeder einzelnen S das Verst&ndnis sichernd durch Wiederholung: Georg Weerth. Ich bin froh, nicht gepr&ft zu werden. In der ersten &Ubung kommt es darauf an, da& die Sch&ler prompt antworten. Frage: Wer sind die Zeitgenossen von Georg Weerth? Es kommt prompt: Karl Marx, Friedrich Engels. Und? Heinrich Heine. Gut, sagt der frohe Lehrer. Was hat Heine geschrieben? Die Antwort sollte prompter kommen, aber dann kommt sie: "Ein Winterm&rchen". Sehr gut. War Friedrich Engels auch ein Dichter? Eine zu leichte Frage, so da& die Sch&ler chinesisch l&cheln. Was also hat Friedrich Engels geschrieben? Es kommen die deutschen Titel, der Lehrer wiederholt sie, denn es geht um eine gute Aussprache.In der zweiten &Ubung sollen die Sch&ler sich Zeit lassen, um in freier Rede korrekte S&tze zu bilden. Kennen Sie ein Gedicht von Georg Weerth? Erz&hlen Sie, was in diesem Gedicht steht. Der Lehrer wiederholt, da der Titel etwas unverst&ndlich ausgesprochen wird, nicht ohne Lust an seiner eigenen tadellosen Aussprache: Der Kanonengie&er, der Kanonengie&er. Der Sch&ler wagt sich in die freie Rede: Ein Arbeiter, der Kanonen gie&t, will keine Kanonen mehr gie&en, denn er will Frieden, er sagt: Nein, er will Kanonen gie&en, denn er will den Arbeitern dienen, jetzt will er Kanonen gie&en f&r die Arbeiter, das kann er, denn er ist ein guter Arbeiter. Sehr gut. Und ein M&dchen m&chte noch einen Titel von Heine sagen. Die Klasse lacht pl&tzlich, ich verstehe nicht, warum. Der Lehrer verk&ndet jetzt, da& die Ehreng&ste auch etwas sagen, in deutscher Sprache. Wir sagen auch etwas, und es scheint die Klasse zu vergn&gen, da& es Menschen gibt, die tats&chlich in dieser schweren Sprache reden: die Klasse klatscht.Besichtigung der neuen Bibliothek: die zwei Professoren aus der Bundesrepublik finden sofort L&cken, nein, das ist keine Harvard-Library, und die Studenten im Lesesaal k&nnten Statisten sein, man wei& das nie. Ich sehe Burschen, die wahrscheinlich mit einem Schwei&brenner umzugehen wissen, und M&dchen, die mit einer Sichel arbeiten k&nnen. Unterwegs im Park mit alten B&umen und mit einem gro&en Teich h&tte ich eine Frage an den Vertreter des R es gibt aber keine Antworten unter vier Augen, nur H& Fragen sind an das Kollektiv zu richten beim Tee in einem w&rdevollen Saal, Architektur aus der Herrenzeit. Nach einem Vortrag, den nicht der Vertreter des Revolutionskomitees h&lt, sondern einer der Professoren, d&rfen wir fragen. Was man &ber das Bildungssystem nach der Kulturrevolution gelesen hat, stimmt also. Nicht nur die Studenten, auch die Lehrer m&ssen von Zeit zu Zeit wieder k&rperliche Arbeit leisten wie die M man will keine Kluft zwischen den Gebildeten und der Masse. Auch wenn ich Verst&ndnis zeige f&r die Idee, Schwierigkeit der Diskussion: wir fragen nach den Problemen, die sich bei der Durchf&hrung dieses Programms ergeben haben, und die Antwort besteht in der schlichten Wiederholung der gro&en Idee. Das ergibt kein Gespr&ch.Dabei reden sie nicht fanatisch. Jeder der Professoren sagt dasselbe: Zulassung zur Universit&t, dar&ber befindet die Masse. Das hei&t wohl: die Genossen in der Kommune, wo der Obersch&ler zwei Jahre gearbeitet hat. Gesichtspunkte f&r eine Empfehlung: erstens die politischideologische Zuverl&ssigkeit, zweitens die intellektuelle F&higkeit, drittens die k&rperliche T&chtigkeit. Da die Hochschulzeit gek&rzt worden ist -- drei Jahre f&r das Studium einer Sprache, wobei ein Drittel auch dieser Zeit wieder der Arbeit in Industrie oder Landwirtschaft zu widmen ist -, fragen die deutschen Professoren: wie soll es da zu wissenschaftlichen Spitzenleistungen kommen? Die Frage irritiert unsere Gastgeber nicht. China hat seine Atombombe, offenbar gibt es Chinesen, die l&nger als drei Jahre studieren k&nnen. Davon reden sie nicht.Auch das mu& man sich selbst sagen: achthundert Millionen Chinesen brauchen nicht drei Spitzen&rzte, die Herzen verpflanzen, hingegen einige Millionen braver Sanit&ter. Mehr zu irritieren scheint sie die Frage, ob die Studenten, die der Masse verbunden sind, Kritik &ben k&nnen an den Professoren: Selbstverst&ndlich, Sch&ler kritisieren Lehrer, Lehrer kritisieren Sch&ler. Und was geschieht, wenn ein Sch&ler und der Lehrer sich nicht einigen k&nnen? Unauff&llig versiegt die A eine Studentin, die unserer Konferenz beiwohnen darf, bekommt das Wort, doch scheint es, da& sie meine Frage
sie best&tigt, da& sie zwei Jahre auf dem Land gearbeitet hat, und ich habe nicht den Eindruck, da& das M&dchen sich irgend etwas anderes w&nscht. Ihre Vorfahren haben keine Schule besuchen k&nnen. Sie lebt in einer gl&cklichen Epoche. Die N&chte waren auch f&r uns Studenten voller Angst. Um Mitternacht oder auch fr&hmorgens drohten Blitzaktionen der Kuomintang. Deren Geheimpolizei drang ins Studentenheim ein und verhaftete, wen sie als Kommunisten verd&chtigte.Ein andermal rannte ich sofort zum Fenster und blickte verstohlen auf den Hof und auf das gro&e Tor hinunter, In der Morgend&mmerung sah ich Schatten von Menschen hin- und dann konnte ich genau feststellen, da& jemand mit Gewalt abgef&hrt wurde. Welcher Kamerad mochte es sein? Neunzig Prozent der Verhafteten kamen zu jener Zeit nicht mehr zur&ck: Die Foltermethoden waren so grausam, da& kaum einer sie &berlebte.Chang Sin-renVieles, was f&r uns zur Lebenslust geh&rt, scheint zu fehlen. Bisher habe ich kaum ein S keine einzige Reklame, die Gl&ckseligkeit verspricht durch Besitz von Ware. Es mu& eine andere Art von Hoffnung geben: ihre Gesichter sind nicht unfroh, nicht grau, nicht verbittert. Es scheint keinen Anla& f&r Neid zu geben --Was geschieht in China mit den Dissidenten?Claudie Brovelle, die franz&sische Feministin, wei& es zu rechtfertigen, da& die Chinesen nicht vor dem siebenundzwanzigsten Lebens die fr&he Ehe erschwert die Emanzipation der Frau, die fr&he Mutterschaft hindert sie, Revolution&rin zu werden. Andrerseits sei der uneheliche Liebesverkehr verboten, zumindest verp&nt. Stimmt das? Dabei gibt es die Pille. Was wei& ich von einem Land, wenn ich nicht wei&, was die jungen Leute machen mit ihrer Sexualit&t, bis sie siebenundzwanzig sind?Wie steht es mit der Kriminalit&t?"Die deutsche Nation ist eine Nation von Sch&pfergeist", sagt Teng Hsiao-ping in seiner Tischrede, "das deutsche Volk hat zur Entwicklung der Weltgeschichte und zur Bereicherung des geistigen Schatzes der Menschheit hervorragende Beitr&ge geleistet." Mein Tischnachbar, der etwas Englisch versteht, ist Physiker und l&&t es sich nicht nehmen, wieder und wieder mit den St&bchen in seiner zitternden Greisenhand mich zu bedienen mit Haifischflossen, Ente usw. Die hundert M&dchen in wei&en Kitteln, die beim Bankett bedienen, sind lautlos da und wieder weg, im rechten Augenblick wieder da, ihre Miene ver&ndert sich nicht, wenn man durch Nicken dankt f&r den n&chsten R einige tragen Z&pfe, andere das Haar kurzgeschnitten: alle in schwarzen H keine Kinder, aber ich halte sie immer f&r Kinder. Eine chinesische Kapelle spielt deutsche M&rsche und Lieder.Was Teng Hsiao-ping in seiner Tischrede sagt, um Europa zu warnen vor Illusionen, ist ein Zitat: Der Wind h&rt nicht auf zu blasen, auch wenn die B&ume Ruhe haben m&chten! -als Spruchweisheit unwiderlegbar ... Der sowjetische Botschafter, der k&rzlich von einem solchen Bankett aufgestanden ist und den Saal verlassen hat, ist diesmal sitzen geblieben. Jetzt geht Teng Hsiaoping von Tisch zu Tisch, um jedem von uns die Hand zu geben, dieser ungew&hnlich kleine und wurzelkr&ftige Mann, der zu jedermann emporschauen mu&. Das Bankett dauert anderthalb Stunden. Auch mit meinem andern Tischnachbarn kommt es zu keinem Gespr& sie fragen nicht zur&ck, ihre H&flichkeit bleibt undurchdringlich, sie sind nicht erpicht darauf, uns zu & sie haben andere Aufgaben.Ein n&rrischer Greis wird verspottet, weil er zwei Berge abzutragen versucht, die ihm den Weg versperren. Darauf sagt er: Sterbe ich, so bleiben meine K sterben die Kinder, so bleiben die Enkelkinder, und so werden sich die Generationen in einer endlosen Reihe abl&sen. Die zwei Berge sind zwar hoch, aber sie k&nnen nicht mehr h& um das, was wir abtragen,
warum sollten wir sie da nicht abtragen k&nnen.Mao Tse-tung in der Schlu&rede des 7. Parteitages am 11. Juni 1945 Soldaten, einzelne, im Gedr&nge auf den Stra&en, auff&llig durch das Gr&n ihrer U sie tragen einen G&rtel, keine Waffe. Ein roter Stern an der M&tze. Ob sie eine Art von Ordnungsdienst versehen, wei& man hat nicht den Eindruck. Sie gehen ihres Weges, ihr Gehabe verr&t kein Privileg, sie wirken nicht staatlicher als die Arbeiter, nur etwas mustersch&lerhaft.1. H&nge die T&ren wieder ein, die du ausgeh&ngt hast, um dein Lager darauf zu bereiten.2. Ersetze das Stroh, das du f&r deine Lagerstatt genommen hast.3. Sprich h&flich.4. Bezahle f&r alles, was du gekauft hast, den angemessenen Preis.5. Gib alles, was du entliehen hast, zur&ck.6. Bezahle f&r alles, was du besch&digt hast.Zu diesen Regeln der Disziplin f&r die Soldaten der Roten Armee f&gte Mao Tse-tung noch 1929 zwei weitere Punkte hinzu:7. Bade nicht, solange Frauen in der N&he sind.8. Gib Verwundeten der Wei&en Armee Medizin, behandle Gefangene der Wei&en Armee nicht schlecht.Abend in der Peking-O gespielt wird vor Ansichtskartenkitsch und besungen eine Episode aus dem Kampf der Bauern um 1928, "Der Azaleen-Berg", kein Lehrst&ck f&r Brecht-Sch&ler, vermutlich f&r Arbeiter und Bauern ein Augenschmaus und als Fabel begl&ckend wie der Wilhelm Teil f&r schweizerische B&rger. Die akrobatische Pantomime (R&ckzug im Schneesturm, Kampf, um den Anschlu& an die Truppe von Mao Tse-tung zu finden) ist exzellent ... Danach in der deutschen Botschaft gibt sich die Gelegenheit, kurz mit Helmut Schmidt allein zu sprechen. Mao Tse-tung habe die Sitzung begonnen mit einem Gespr&ch &ber Kant, Clausewitz, H zwar sei er im Sprechen behindert, aber klar im Verstand. Das letztere, so hoffe ich, gilt von den meisten Staatsm&nnern, die der B es scheint aber, als sei dem Bundeskanzler noch etwas anderes begegnet heute nachmittag -- er hat nicht die prompten Worte daf&r, der schlagfertige Bundeskanzler und Helmut Schmidt, dem es an Witz nie fehlt, und ich habe auch nicht das Gef&hl, da& er jetzt ein Ohr h&tte f&r meine Rezension der Peking-Oper.Mao hat den Ruf eines verzauberten Lebens. Er ist mehrmals von Nanking f&r tot erkl&rt worden, um wenige Tage sp&ter wieder in den Zeitungsberichten aufzutauchen, aktiv wie immer ... Sein Ruf scheint jedoch nicht ganz unbegr&ndet zu sein, insofern er, obwohl er an vielen K&mpfen teilgenommen hat, einmal von feindlichen Truppen gefangengenommen worden und entflohen ist und auf seinen Kopf die h&chste Pr&mie der Welt ausgesetzt war, w&hrend all der Jahre nicht ein einziges Mal verwundet worden ist.Edgar SnowAuch bei der Fahrt &ber Land -- Menschen, alle in der gleichen Art gekleidet, Menschen auf Fahrr& sie radeln ohne Hast. Anders als in unseren Gegenden: hier arbeiten sie in Scharen auf dem Acker, in Scharen auf einer Baustelle. Wie auf Darstellungen aus der fr&hen Zeit, als es nur die Handarbeit gegeben hat. Dann und wann ein Traktor. Immer wieder Alleen, zum Windschutz gepflanzt, und man f&hrt lang, ohne eine S also lange Arbeitswege. Die Stra&e ist gut, Asphalt, Lastwagen halten seitw&rts an, damit die Bundeskanzler-Kolonne freie Fahrt hat zu den Ming-Gr&bern. Eine gro&e Landschaft. Da und dort eine rote Fahne im Wind, die anzeigt, wo die Leute sich nach der A eine Brigade beim Ausheben von Kan&len. Sie arbeiten gelassen, so* Jeden Donnerstag beteiligt sich die Bev&lkerung von Shanghai an der Stra&enreinigung.scheint es. Das Rot dieser Fahnen ist heller und d&nner als das Rot in unseren F es erinnert nicht an Blut, sondern an Papierdrachen. W&hrend man &ber anderes redet, links und rechts F Mais oder Kohl oder K&rbisse oder Baumwolle f&r die Masse. Die Ebene verliert sich im Herbstdunst hinter der Allee von gelben Pappeln, die kahlen Berge in der Ferne silbergrau. Manchmal sind es auch Erlen. Stimmt es, da& f&r jedes geborene Kind ein Baum zu pflanzen ist? Eine Zement-F die Gruppen, die am Stra&enrand stehen, sind vermu sie klatschen. Auch wo sie nicht Spalier stehen, sondern &berrascht sind von dem fremden Besucher, sehe ich keinen zerlumpten Menschen, keine Slums, wenn auch &u&erst bescheidene Wohnst&tten, kein einziges Hungergesicht.Wie kaum je auf Reisen in der roten Welt begleitet mich ein Gl&cksgef&hl. Hier mu& ich mich nicht wieder und wieder durchringen zu &Uberlegungen, die zur Guthei& ich bin froh, hier zu sein. Die Frage, ob man hier leben m&chte, ist m&& wir k&nnten es nicht, daf&r sind wir zu verw&hnt. Das Gl&cksgef&hl ergibt sich aber nicht daraus, da& ich nicht in China leben mu&; man m&chte es k&nnen. Anderswo kommt es vor, da& mich die Angst bef&llt, zum Beispiel bei der Vorstellung, ein Neger zu sein. Und wo es keine Neger gibt, kommt es vor, da& mich zwar nicht die Angst bef&llt, aber eine Melancholie der Zugeh&rigkeit, Resignation, die nicht auff&llt, der kollektive Gleichmut, die Hoffnungslosigkeit: Es ist schade um die Menschen! Nat&rlich wei& ich zu vieles nicht, was den Menschen hier schwerf&llt, und vielleicht t&usche ich mich: es scheint keine Verzweiflung zu geben, nicht einmal R viel Geduld, aber nicht Apathie. Vermutlich kommt es daher, (la& mir die Chinesen kindlich erscheinen, nicht nur die jungen Soldaten, auch der alte Physiker und der alte Bauer. Ein so altes Volk, ein Reich mit so langer Geschichte, und wie noch nirgends habe ich hier das Gef&hl, da& es f&r die Menschheit einen Anfang geben kann, f&r einen Teil der Menschheit.Heute auf der Gro&en Mauer. ZumGl&ck sind die gro&en und glatten Steinplatten trocken, sonst wurde man auf den steilen Stellen ausrutschen. Wenn man dasteht, um zu verschnaufen und festzustellen: Genau wie erwartet und wie schon beschrieben, ja, genauso ist es. Ein Morgen mit d&nner H gegen Norden ist eine Ebene zu sehen, dann aber wieder Berge. Warum verl&uft die Mauer grad hier? Hinauf und hinunter und hin&ber und wieder hinauf: der Verlauf wirkt oft launisch (anders als die Berliner Mauer, deren Zickzack nach Kataster bestimmt ist, b&rokratisch durchaus begr&ndbar) und streckenwei da und dort k&nnte die Mauer k&rzer gef&hrt werden, als Verteidigungswall zweckm&&iger. Offensichtlich wurde nicht mit Arbe ihr Verlauf scheint bestimmt durch das Bed&rfnis nach einem Monument, das irgendwo im kahlen Bergland zeigt: Hier beginnt China, das Reich der Himmelss&hne! oder von innen her gesehen: Hier endet die Welt, der Rest ist barbarisch.In der Ferne, wo die Mauer wieder zu sehen ist, ihre gezahnte Silhouette am Horizont, erscheint sie wie ein Rei&verschlu&. Das ist mehr als eine Maginot-Linie, mehr als ein milit&rischer Schildb& die steinerne Geste eines Imperiums, das sich selbst genug ist.ERRICHTE HOHE W&ALLE, LEGE GETREIDE-VORR&ATE AN, ERKL&ARE DICH NICHT &UBER-ALL ZUM K&ONIG, ein Zitat aus dem Jahr 1357, das Mao Tse-tung umformt zur Parole: GRABT TIEFE TUNNEL, LEGT GETREIDEVORR&ATE AN UND TRACHTET NIEMALS NACH HEGE-MONIE.Zum Fr&hst&ck setze ich mich an den Tisch mit den deutschen Fernseh-Technikern. Im gro&en und ganzen finden sie die Speisen e&bar. Ich sehe einmal mehr, wie viele Apparate vonn&ten sind, um Bild-Qualit&t und Ton-Qualit&t zu liefern. Einige zeigen, da& sie mit St&bchen speisen k&nnen, aber es gibt auch Gabeln und Messer. Die M&dchen im wei&en Kittel bedienen hier nicht anders als beim Bankett mit Bundeskanzler und Ministern. &Ubrigens gibt es auch Kaffee, nicht nur T sogar Brot. Kein Gespr&ch &ber China, auch nicht &ber den Bundeskanzler. Es sind gehetzte L morgen geht"s nach Sinkiang mit allen diesen Apparaten --Liegt es nur an der Sprache? Die Chinesen die wenigen, die eine europ&ische Sprache beherrschen, geben zwar Antwort, aber sie selber fragen nicht. Es gibt Kulturen, in denen das direkte Fragen als ungeh&rig empfunden wird, als barbarisch. Ein Gespr&ch ist kein Verh&r. Auch m&gen die Chinesen es nicht, wenn man sich auf der Stra&e oder in einem Park vor sie
sie wenden sich ab -- nicht unwirsch und nicht versch&chtert, nur befremdet durch unseren Mangel an Sitte.Ich habe keinen chinesischen Schriftsteller getroffen. Wie schreibt man f&r ein Volk, dessen Mehrheit erst seit einer Generation &berhaupt die M&glichkeit hat, lesen zu lernen? Literatur im Anfang einer Epoche --Ein Kaufhaus zu besichtigen habe ich vers&umt. Es soll allerlei vorhanden sein, so h&re ich, an ordentlicher Ware, und es t&nt, als sei das Angebot von Ware schlechthin der Ma&stab f&r die G&te einer Gesellschaft. Allerdings fehle jegliches Verpackungsmaterial.Peking als Stadt? Wir haben zu wenig gesehen. die Zeit ist zu kurz, um auch nur sagen zu k&nnen, wie Peking aussieht. Der gro&e Platz f&r den Aufmarsch der Masse, den ich nur leer gesehen habe, dazu die Architektur der staatlichen Pal&ste, die &de ist, da und dort ein einzelnes Hochhaus, ein internationales Hotel -- der Rest erscheint wie ein immenses D gro&st&dtisch sind nur die breiten Boulevards, die meisten H&user einst&ckig. Statt ins Kaufhaus bin ich durch Nebengassen gegangen. 1-her kein Asphalt, aber die Gassen sind sauber. H&user aus grauem B gegen die Gasse verschlie&en sie sich durch eine fensterlose M Pforte mit Ornamenten und zum Teil mit sch&nen Rundziegeln. Es ist sehr still hier, l&ndlich. Hinter der Pforte jedesmal eine Mauer, die den b&sen Geistern den E der kleine Hof als Raum der Familie: W&sche, ein Tisch, Pflanzen, ein Fahrrad, Hausger&te, ein paar Blumen. Man wohnt nach innen, nicht auf die Gasse hinaus.Unterzeichnung eines deutsch-chinesischen S das Protokoll w&nscht, da& auch die Herren des Gefolges anwesend sind zwecks Gruppenbild mit Bundeskanzler und Teng Hsiaoping. Ein Peloton mit gez&ckten Kameras wartet schon vor dem dreistufigen Podest, das wir zu besteigen haben. Was die beiden Verkehrsminister gegenzeichnen, ist kein Stalin-Hitler-P kein Anla& also zu gestrengen Mienen. Da sein Witz zuerst &bersetzt werden mu&, hat der Bundeskanzler, damit die gemeinsame Wohlgelauntheit auf das historische Gruppenbild kommt, etwas l&nger zu lachen als die Chinesen.Auch wenn das Volk auf der Stra&e nicht gafft, wei& man, da& man auff&llt, schon als einzelner, als G ich vermute, da& wir den Chinesen auch uniform erschienen: lauter Herren. Wie verschieden sie denken, die Herren von der Industrie und von den Gewerkschaften und von der Wissenschaft, zum Beispiel &ber die Mitbestimmung oder &ber das Berufsverbot f&r Radikale, k&nnen Chinesen nicht sehen. Was ihnen auffallen mag an uns: vielleicht eine gewisse Steifheit, wenn wir uns unterhalten, etwas Forsches, auch wenn die Herren nur eine Bitte haben, und Hastigkeit, wo es nichts zu tun gibt, etwas Ungeschmeidiges und Weltm&nnisches zugleich. Ich glaube nicht, da& wir auf die Chinesen besonders w&rdevoll wirken, nur selbstsicher und in der Regel einen Kopf zu hoch. Ich bemerke nichts, was auf Xenophobie schlie&en l&&t. Wenn sie in uns den Klassenfeind sehen, so tun sie es ohne Furcht. Ohne die Genehmigung durch ihren Vorsitzenden w&ren wir ja nicht hier: somit besteht kein Grund, nicht h&flich zu sein mit den Fremden. Eine Diskussion mit einem wichtigen Chinesen (zu erkennen am feineren Stoff seiner Joppe) &ber die chinesische Au&enpolitik, die zur Zeit zynisch ist, wird nicht stattfinden -- sowenig wie gewisse Diskussionen in der Sowjet-Union -, weil niemand, den ich ansprechen k&nnte, f&r die Staatsr&son zust&ndig ist.Ein Bulletin in deutscher Sprache, das ins Zimmer gelegt worden ist, erinnert an die Ereignisse in unsrer westlichen Welt: General Franco ist noch nicht tot.Die beiden Trident-Jets, die den Bundeskanzler und sein Gefolge, inbegriffen die Presse, von Peking nach Nanking und von Nanking nach Sinkiang fliegen, sind von den Chinesen komfortabler eingerichtet als der deutsche Luftwaffen-Jet, der nicht anders ist als ein Streckenflugzeug mit First Class und Tourist Class, allerdings mit Bedienung durch freundliche U dagegen bei den Chinesen: je in einem Coup& ein fester Tisch mit vier Fauteuils, auf der andern Seite des Korridors eine breite Couch mit wei&en Kissen -- nicht f&r einen Kaiser, aber f&r einen Staatsmann, der sich einmal ausruhen m&chte, bevor er wieder in die Welt&ffentlichkeit tritt, und der auch das Recht hat, sein Gefolge zeitweise nicht sehen zu m&ssen. Vergleicht man die Einrichtung der Flugzeuge, so erscheinen die Bundesdeutschen demokratischer, die Chinesen humaner. Warum in jedem Coup& ein chinesischer &Ubersetzer? Es gibt nichts zu &bersetzen zwischen uns. Wie w&rde der h&fliche Chinese uns beibringen, da& man keine Kamera mit Teleobjektiv benutzen soll?Nie habe ich in anderthalb Stunden so viele Stauseen gesehen, kleine und gro&e, manche ohne St&tzmauer, gestaut durch einen langen Wall. Wo kein Gebirge ist, &berall die bebauten Felder. Trotz Dunst &ber der Ebene sind zu sehen: Hochkamine, Industrie-Gel&nde, manchmal eine Bahnlinie und immer wieder ein schnurgerader Kanal. Da und dort D&rfer, keine einzelnen Weiler. Eine Flugpiste. Die Sonne hilft zu erkennen, da& die dunklen Linien, die ein Raster &ber die Ebene zeichnen, ebenfalls Wassergr& wo sich grad die Sonne spiegelt, glitzert es wie Quecksilber in dem braunen oder gr&nlichen Land. Der Gelbe S seine riesenhaften Windungen bis hin zum Horizont. Keine Br&cken.China -- ein Entwicklungsland, aber das Ziel seiner Entwicklung ist nicht unser Wohlstand in einer pluralistischen Gesellschaft der &Angste. Wir sind hier nicht das Wunschbild, unser Urteil also nicht das Ma& f&r ihre Anstrengungen. Das irritiert mehr als die chinesische Atombombe.In Nanking landen wir fr&her als der Bundeskanzler, auch hier warten drei- oder viertausend Kinder, um den Gast zu begr&&en mit Wimpeln oder Ringen und T jetzt sitzen sie noch auf dem Boden, alle in farbigen Kost&men und geschminkt. Eine Gruppe &bt noch einmal den Tanz der L&wen mit offenem Rachen. Die Freude, die die Kinder werden zeigen m&ssen, ist ge& sie sind aber fr&hlich. Gro& die Schrift: Wir gr&&en den deutschen Bundeskanzler und Frau Schmidt herzlich! Und zahllos die roten Fahnen im Wind. Ob die Kinder den deutschen Bundeskanzler erkannt haben in dem Kn&uel von deutschen Presseleuten? Man h&tte ihnen sagen m&ssen: Schaut auf den Mann, der keine Kamera und eine Frau hat.Wieder Stra&en voll Chinesen mit der gleichen M&tze, aber im Ve lebhafter als im Norden. Es ist w&rmer hier. Platanen-Alleen wie in Aix-en-Provence.Die Br&cke &ber den Jangtse, das ruhmreiche Werk der Arbeiterklasse, wie sie es nennen, hat ungef&hr die L&nge der Golden Gate Bridge, die allerdings sch&ner ist. Es lohnt sich kaum, hier die Kamera zu heben. Eine Br&cke mit neun Pfeilern, zweist&ckig f&r Bahn und Stra&e, die Konstruktion plump-solid. Die Besucher aus dem Westen zeigen sich nicht begeistert. In der Bundesrepublik gibt es sch&nere Br&cken. Es sind zwei milit&rische Boote, die uns auf dem Jangtse fahren. Die Soldaten, waffenlos, klein im Vergleich zu den deutschen Herren, gr&n mit dem roten Stern an der M&tze, sind blank wie in der Peking-Oper, nur nicht geschminkt.Der Jangtse: breit wie ein See, aber eine w&hlende Masse von Wasser, ein Strom, milchkaffeebraun. Die Dschunken halten sich in Ufern&he. Sicher ist es kein Zufall: als das Schiff mit dem Bundeskanzler grad unter der Br&cke f&hrt, rollt ein Zug dar&ber, und aus den Wagenfenstern wird gewinkt. Der Stolz der Chinesen ist r&hrend. Danach mu& die Br&cke auch noch begangen werden, und nicht genug: Ein alter Chinese, der beim Batt dabeigewesen ist, erl&utert an einem Modell allerlei technische Selbstverst&ndlichkeiten. Der Bundeskanzler mit der Prinz-Heinrich-M&tze h&rt zu, wie es sich geh& andere zeigen sich gelangweilt und nehmen von den N&ssen. Die Konstruktion, so erl&utert der alte Chinese, dann aber lieferte die Sowjet-Union den versprochenen Stahl nicht und zog ihre I die chinesischen Arbeiter (7000) berieten und beschlossen, trotzdem eine Br&cke zu bauen, so gut sie"s damals konnten ohne fremden Stahl und ohne fremde Ingenieure. Aus eigner Kraft. Ihre Br&cke &ber den Jangtse, wichtig f&r den Aufbau des Landes, h&lt auch den schweren Taifunen stand.Es liegt nicht an Helmut Schmidt, da& die Begleiter, die er sich ausgesucht hat, an Ort und Stelle kaum je mit dem Bundeskanzler sprechen k&nnen, es liegt auch nicht an den Chinesen, sondern an den deutschen Kamera-Leuten -- kaum hebt einer die Kamera, so m&ssen die andern auch, sonst hat die Konkurrenz das verk&uflichere Bild vom Bundeskanzler bei der Besichtigung chinesischer" Enten, wo er einen Witz &ber seine Partei macht, oder auf der Br&cke &ber den Jangtse. Das l&&t sich nicht verhindern, sonst bringen sie die b&seren Schnappsch&sse ins Wahljahr.Mittags beim Bankett in Nanking wieder die flinken und sanften M&dchen im wei&en Kittel, die uns bedienen wie T&chter des Hauses, nicht famili&r wie Kellnerinnen. Meine Frage an den jungen, kr&ftigen Mann aus dem Revolutions-Komitee, wer ihn w&hle. Die Masse, Wie hat man sich das vorzustellen? Der &Ubersetzer wiederholt aber nur die Antwort: Gew&hlt von der Masse. Und gew&hlt auf wie lange? Da der &Ubersetzer tut, als sei das keine Frage, frage ich: Kann mein Nachbar, also gew&hlt von der Masse, auch von der Masse wieder abgesetzt werden? Der junge Mann vom Revolutions-Komitee, der mich dabei nie anblickt, nickt zum &Ubersetzer. Das scheint selbstverst&ndlich zu sein. Wie soll ich weiter fragen, da der Mann kein Bed&rfnis hat zu erz&hlen? Sein Gesicht: wie man sich Chinesen gerne vorstellt, ein glattes Mondgesicht, die Nase steht kaum hervor, keine Augenh&hlen, die Augenschlitze schmal wie ein Pinselstrich hinauf zu den Schl&fen, der Mund klein mit vollen weichen Lippen, die Haut gespannt und sanft wie bei Kindern ...In Budapest (vor einem halben Jahr) ist das Tischgespr&ch leichter gewesen, wenn ein Funktion&r, ein hoher, machte Herrenwitze f&r Ausl&nder: Wissen Sie, wieso die Arbeiter in Ungarn nicht streiken? Weil es nicht auffallen w&rde. Wissen Sie, warum die Arbeiter in Ungarn nicht arbeiten? Weil die herrschende Klasse nie gearbeitet hat ... Der junge Mann vom Revolutions-Komitee in Nanking, zum Bankett in schwarzer Joppe, ist L er macht keine Herrenwitze, sondern i&t -- das ist ein Festessen.Sie sagen: Nach der Befreiung. Gemeint ist 1949, nach unserer Zeitrechnung. Da es in China bekanntlich keine Meinungsfreiheit gibt, k&nnen Berichterstatter aus dem Westen nicht umhin, diese Bezeichnung jedesmal in Anf&hrungszeichen zu setzen: "Befreiung". Gemeint ist ja nicht nur die Befreiung von den Japanern, sonst k&nnte man die Bezeichnung
gemeint ist die Befreiung von den Kapitalisten, vom Klassenfeind.Es ist nicht nur die bei manchen Marxisten (aller Provenienzen) zu beobachtende fatale Neigung zur Freund-Feind-Kategorisierung, zum totalen Alternativdenken, die sie zur Ablehnung des "piecemeal social enginearing" f& es ist dar&ber hinaus die Geringsch&tzung f&r ein politisches Handeln, das sich nicht an einem umfassenden Endkonzept" an einer einzigen gesellschaftlichen Gesamtzielleistung orientiert. So kann es dazu kommen, da& schrittweise Reform, welche Schritte nach dem jeweils M&glichen ("Machbaren") bemi&t, als "Pragmatismus" denunziert wird. Dabei wird nicht an jene Pragmatismus genannte amerikanische philosophische Denkschule von P e i r c e bis D e w e y gedacht: dar Vorwurf des "blo&en Pragmatismus" meint vielmehr eine "theorielose" Durchwurstelei ohne klare Z er will insinuieren, der als "blo&er Pragmatiker" kritisierte Politiker sei, weil nicht von einer umfassenden (und allein richtigen!) Theorie geleitet, in Wahrheit ein Opportunist, der infolgedessen keineswegs zum Endziel f&hren k&nne -- auch wenn er &was dann widerwillig zugegeben wird) im Einzelfall die Mehrung oder die Bewahrung des allgemeinen Wohlstands der Arbeitnehmerschaft bewirke.Helmut SchmidtIn Urumtschi (Sinkiang) ein Flughafen, der eben erstellt worden ist, gro& und einwandfrei und beinahe leer: die Stadt dazu scheint noch zu fehlen. Kurz vor der Landung hat man Gebirge gesehen, 6000 Meter hoch, wei& vor der lila D&mmerung. Wir beziehen ein Hotel, das eben die Zufahrt ist noch eine Baustelle. Zimmer mit Bad: die Armaturen sind neu, aber im Stil des 19. J das Wasser flie&t zuerst etwas br&unlich, dann warm nach Wunsch. Ein ger&umiges Zimmer. Ein junger Uighure in wei&em Kittel, der geklopft hat, zeigt wortlos, wo die Lichtschalter sind, und knipst: und es wird Licht. Er ist stolz. Wir sind die ersten G&ste. Vor dem Fenster: die Steppe, Masten einer Hochspannungsleitung, sonst nichts als Steppe. In der Nacht ist da kein einziges Licht. Am andern Morgen sehe ich &ber &der Steppe das hohe Gebirge, Rauch aus einem fernen Hochkamin.Bundeskanzler Helmut Schmidt, als ihm beim letzten Bankett das buntgestickte K&ppchen der Uighuren auf den Kopf gesetzt wird, was eine hohe Ehrung des Gastes bedeutet, f&hlt s seiner Gattin steht es besser. Nur unsere Begleiter sind noch C die Gastgeber sind Uighuren, die eher wie T&rken aussehen, und Tataren, Russen, Tibeter. Nachher im Theater (es wird Mitternacht, und wir sind m&de) singen sie in ihren Sprachen. Tanz eines M&dchens mit G einmal knallt es auch. Zum Schlu& mu& der Bundeskanzler auf die B&hne treten, wie schon in der Peking-O beklatscht wie ein St&ckeschreiber, der sein St&ck nicht wiedererkennt, aber den Darstellern die H&nde sch&ttelt --Die Meinungen im Gefolge gehen auseinander. Die gr&ne Wassermelone, dem Bundeskanzler zum Nachtisch pr&sentiert, war verziert mit eingeritzten Mustern. Was ich r&hrend finde. Der Wasserhahn, der zwar das Waschbecken zu f&llen vermag, ist so angebracht, da& man die H&nde nicht unter den Wasserstrahl halten kann: eine Fehlkonstruktion, das mu& ich zugeben.1955 gab es in Sinkiang nur eine Hochschule, heute sind es acht. Die Zahl der Mittelschulen ist von neun auf 1400 angestiegen. Sinkiang besitzt heute 9800 Grundschulen. Eine gro&e Anzahl von sogenannten Barfu&&rzten dienen den breiten Massen der armen Bauern (Hirten) und unteren Mittelbauern, es gibt schon 20 gr&&ere Krankenh&user, es sind &ber 6000 medizinische Arbeiter t&tig.Chang Sin-renAufbau ohne Feindbild?"Die Renegatenclique um Breschnew, die das Erbe dar alten Zaren angetreten hat, sendet seit Jahren immer wieder Spione und Agenten in das chinesische Gebiet S sie versucht, Verr&ter anzuwerben und offenen Aufruhr anzuzetteln, sie hat mehrmals bewaffnete Aggressionen und milit&rische Provokationen ver&bt und jede Untat begangen", sagte ein Redner zum 20. Jahrestag der Gr&ndung des Autonomen Gebiets Sinkiang. "In Urumtschi herrschte an diesem Festtag eine Atmosph&re der Freude und Einheit", schreibt die "Peking Rundschau" vom 21. 10. 1975: "Ein begeisterter Applaus brandete auf", als der Redner sagte: "Sollten der Imperialismus und der sowjetisch-revisionistische Sozialimperialismus es wagen, uns anzugreifen, so werden wir sie in den Fluten des Volkskrieges vernichten."Zwischen kahlen Bergen eine Talsohle, die bisher Steppe gewesen ist, jetzt ein Raster von Wassergr&ben, dazwischen die gr&nenden Felder, Baumreihen zum Windschutz -- das sehen wir als gebasteltes Modell in einer A die Sch&lerin, die artig danebensteht, gibt Auskunft in uighurischer Sprache, ein paar auswendig gelernte S&tze, die uns &bersetzt werden, die Rede der Partei. Ein anderes Modell zeigt eine R Plexiglas mit L&mpchen, die etwas anzeigen, mit Eisenb&hnchen in B die n&chste Sch&lerin in schwarzer Jacke und Hose (Socken wei&, Hemdkragen wei&) gibt Auskunft, scheu wie ein Hirtenm&dchen. Ferner gibt es zu sehen: Baumwolle, Kohle, Bergschafe verschiedener Arten, Fahrr&der, D&nger, Zucker, Schuhe, ein paar Kugellager, die in Sinkiang hergestellt werden, Textilien, Motors&gen, ein Traktor, Obst usw., was alles in allem den Herren aus dem Westen wenig Eindruck macht. Photo eines A ohne Hirtenm&dchen. das Auskunft geben k&nnte.Nach dem Besuch der Ausstellung sagt mir ein Fachmann der westlichen Wirtschaft: Wenn sie uns investieren lie&en, so h&tten sie in f&nf Jahren, wof&r sie auf diese Weise drei&ig oder vierzig Jahre brauchen! Und da ich als Laie nicht widerspreche, sagt er: Aber China hat Zeit! Und schlie&lich im Ton eines Respektes, den man kaum verweigern kann: Die wollen einfach ihre Unabh&ngigkeit! Sp&ter sieht man &brigens vom Flugzeug aus, was das Modell in der Ausstellung gezeigt hat, als Wirklichkeit: das geometrische Menschenwerk in der Steppe, Raster von Wassergr&ben, Urbarmachung -- dringlicher als die Meinungsfreiheit in der Steppe.Was kommt nach Mao Tse-tung? Das chinesische Fernsehen verhehlt nicht ganz, wie gebrechlich der Alte heute ist, und die ihm ein Leben von zehnmal zehntausend Jahren w&nschen, sie werden die Nachfolger an ihm messen.Im Luftwaffen-Jet habe ich den Sitz hinter dem Bundeskanzler. Warum ich eingeladen bin, ist nie ausdr&cklich gesagt worden. Vor sechs Wochen die erste Begegnung mit Helmut Schmidt in Bonn: Kampfpause f&r den Bundeskanzler, ein schwarzer Kaffee und Zigaretten vor der n&chsten Runde dr&ben im Bundestag, es fehlt die Mu&e f&r die Pfeife. Irgend etwas in jener Unterhaltung (35 Minuten) scheint f&r den Bundeskanzler erho die Naivit&t meiner Fragen vermutlich. Keinesfalls fliege ich hier als Berater wie die Vertreter der Gewerkschaften, der Industrie, der Wissenschaft. Mein Beitrag kann nur die Neugierde sein.Geh&rt den Chinesen die Zukunft? Einmal allein mit Helmut Schmidt (zu sehen ist grad der Berg Ararat, wo damals die Arche gelandet ist), bin ich zu langsam, um dem Bundeskanzler sagen zu k&nnen, was mir in vier T dabei nimmt er sich Zeit, das rechte Bein &ber das linke geschlagen, jetzt mit der Pfeife. Was Helmut Schmidt selber zu China denkt, hat er vorher im kleinen Kreis gesagt (zu sehen war grad der Himalaja, seine fernen Spitzen &ber den Wolken), durchaus n&chtern, klug, klar und pragmatisch-b& die Vision vom neuen Menschen &berl&&t er den Chinesen. Was bevorsteht und vermutlich seinen Sinn besch&ftigt: der Parteitag in Mannheim. Unterwegs sein Besuch beim S Entwicklungsland mit Badezimmer-Armaturen in Gold, zum Abschied der dr&hnende Start von sieben Kampfflugzeugen.Sp&ter ist Athen zu sehen, die blaue Bucht von Salamis, wo eine Entscheidung zugunsten des Aben nicht zu sehen ist der Olymp, es ist dunstig, auch die europ&ischen Alpen sind verh&llt, erst Stuttgart ist wieder zu sehen. Der Bundeskanzler, eben noch hemd&rmlig und wach &ber ein Schach gebeugt, mu& sich schon im Flugzeug verabschieden. Seine Fraktion erwartet Berichterstattung. Knapp drei Stunden nach unserer Landung in Bonn (ich bin inzwischen nach Berlin weitergeflogen und habe mich geduscht) zeigt ihn das Fernsehen in der Bundestagssitzung: live. Dieser Mann ist immer da, wo er sich befindet, ein Mann der rationalen Pr&senz.Totale Utopien k&nnen zur totalit&ren Gewaltanwendung verleiten. "Offene", d. h. demokratische Gesellschaften (oder modisch: pluralistische Gesellschaften) sind mit den politischen Maximen einer totalen Utopie oder Handlungsanweisung zur Verwirklichung eines total anderen gesellschaftlichen Systems nicht vereinbar. Eine demokratische, eine offene Gesellschaft pervertiert nur zu leicht zum geschlossenen, totalit&ren Staat, wenn zugunsten eines abstrakten Ideals die Pluralit&t der politischen Zielsetzungen selbst aufgegeben wird. Wenn man unseren Staat davor bewahren will, so bleibt der Politiker angewiesen auf eine dergestalt schrittweise Ver&nderung, da& jedem einzelnen Schritt ein daf&r ausreichender Konsensus (und das hei&t: Kompromi&!) vorausgeht. Nur dies kann der Demokrat eine r a t i o n a l e Art der Politik nennen.Helmut SchmidtWie ich der westlichen Presse entnehme, hat China in diesem Jahr eine Rekord-Ernte, und das ist nicht unwichtig, nur nicht der letzte Zweck dieser Politik. Was mir in China aufgefallen ist: ein anderer Alltag, sie leben wie in einer andern Zeit, und pl&tzlich ist man nicht so sicher, wer da r&ckst& ein anderes Denken, das sich manifestiert & eine Politik, die &ber den &Okonomismus hinauszielt und in erster Linie eine sozialethische Entwicklung anstrebt (trotz so d&rftiger Lebenshaltung notfalls mit &konomischen Einbu&en) und allein daraus die Rechtfertigung der S der praktizierende Glaube an eine gewisse Wandlungsf&higkeit der Menschen. Das alles verl&uft zur Zeit (so wenigstens scheint es) in gro&er Ruhe, aber Ruhe ist nicht des Chinesen erste P ihr Vorsitzender wei&, da& keine Ordnung je die letzte ist, und wenn es das gibt, Politik mit Transzendenz, so gibt es sie in China.
DER SPIEGEL&7/1976
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